Zehn Jahre Palliativmedizin im Johanna-Etienne-Krankenhaus

02.03.2017

Der Abschied vom Leben ist so individuell wie das Leben eines Menschen selbst. Wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist, gilt es, sterbenskranken Menschen bestmöglich zu helfen und alles zu tun, damit die Zeit, die noch bleibt, so angenehm und beschwerdefrei wie möglich verläuft. Das ist das oberste Ziel der Palliativmedizin – und genau das wird seit zehn Jahren im Johanna-Etienne-Krankenhaus mit Kompetenz und liebevoller Zuwendung umgesetzt. Am 19. Oktober 2006 eröffnete das Krankenhaus, das zu den St. Augustinus-Kliniken gehört, als eines der ersten im Rhein-Kreis Neuss seine Abteilung für Palliativmedizin – und war damit ein regelrechter Vorreiter. Der christliche Gedanke trifft sich hier mit einer zutiefst menschlichen Haltung: Palliative Medizin bedeutet, nicht um jeden Preis das Leben zu verlängern, sondern den letzten Tagen mehr Lebensqualität zu verleihen.
 
Das wichtigste Ziel: Lebensqualität
 
 „Nicht umsonst bedeutet das lateinische Wort Pallium 'Mantel'“, erläutert Professor Dr. med. Jens Encke, Chefarzt der Inneren Medizin und Ärztlicher Direktor. „Das trifft es genau: Wir möchten einen schützenden Mantel um unsere Patienten legen, wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist.“ Die schwerkranken Menschen erfahren individuelle Unterstützung und Zuwendung. Das Team, das sie rund um die Uhr betreut, besteht aus insgeamt 20 Experten: Palliativmediziner, Fachärzte, Pflegekräfte, eigens geschulte Psychologen, Physio-therapeuten, Kunsttherapeuten und Seelsorger stehen den Kranken zur Seite – mit fachlicher und menschlicher Kompetenz, mit Einfühlungsvermögen und vor allem mit Zeit. Seit 2006 wurden rund 4.000 Patienten auf diese ganzheitliche Weise mit größtmöglicher Fürsorge begleitet. Durch die individuelle medizinische Versorgung ist es manchen Patienten möglich, anschließend nach Hause zu kommen oder in ein Hospiz zu wechseln.
 
Immer im Mittelpunkt: die Wünsche des Patienten
 
Oberstes Ziel der Palliativmedizin ist es, Beschwerden, Schmerzen und Ängste so zu bessern und zu lindern, dass der Patient jeden einzelnen Tag bewusster, erträglicher und würdig erleben kann. Ist es gewünscht, werden selbstverständlich auch die Angehörigen mit einbezogen. Diese dürfen jederzeit zu Besuch kommen oder auch über Nacht bleiben. Denn: Die Patienten sollen sich wohlfühlen – das ist die Leitlinie, die über allem steht. Hierzu trägt auch die ruhige und angenehme Atmosphäre bei, in der sich die Räumlichkeiten der Palliativmedizin befinden. Sieben wohnliche und freundliche Zimmer stehen für zwölf Patienten zur Verfügung – mit Wohnküche, Aufenthaltsraum und einer schönen Terrasee, die zum Verweilen einlädt.
 
Jeder einzelne Tag: flexibel und individuell
 
Zum Wohlfühlen gehört auch ein Tagesablauf, der sich nach den Bedürfnissen des Patienten richtet. Das Palliativ-Team arbeitet hier Hand in Hand – und stellt die individuellen Wünsche in den Mittelpunkt. Wer möchte Zeit mit seinen Angehörigen verbringen? Wer möchte gemeinsam mit anderen ein Bild malen? Wer möchte Ruhe und einfach einen schönen Ausblick genießen? Hier ist ein vertrauensvoller Umgang die Basis, ebenso Zeit für persönliche Gespräche. „Wo stehe ich?“ oder: „Was kommt auf mich zu?“ Dies sind häufige Fragen, die sich stellen. „Wir helfen den Patienten, Orientierung in dieser Lebensphase zu finden“, erläutert der katholische Pfarrer Thomas Ant, der als Seelsorger ein offenes Ohr für die sterbenskranken Menschen hat. Zeit zum Zuhören, Zeit für Themen, die noch besprochen werden wollen – auch das gehört zum Abschiednehmen. „Jeder Mensch geht seinen eigenen Weg“, ergänzt Susanne Schneiders-Kuban, evangelische Pfarrerin und Seelsorgerin im Johanna-Etienne-Krankenhaus. „Wir gehen diesen ganz persönlichen Weg mit. Die Tage der Palliativpatienten sind begrenzt, aber sie sind gleichzeitig mit Leben erfüllt.“

Auch in Zukunft: engagiert für die Patienten
 
Das Team der Palliativmedizin ist erleichtert, dass die so wichtige Versorgung erhalten bleibt. Selbstverständlich ist das nicht. Nachdem 2006 die palliativmedizinische Versorgung eingerichtet worden war, war sie zwischenzeitlich ernsthaft bedroht: 2012 wollte das nordrhreinwestfälische Gesundheitsministerium die Zusatzgelder für die Versorgung streichen. „Wir lassen Sterbende nicht allein!“ – Mit dieser Überzeugung kämpfte die Klinik und erfuhr breite Unterstützung durch die Bewohnerinnen und Bewohner des Rhein-Kreises Neuss. Drei Jahre lang finanzierte das Krankenhaus die Abteilung mit Hilfe des Fördervereins, mit dessen Hilfe die palliativmedizinische Abteilung realisiert werden konnte, der Bevölkerung und des Unternehmensverbundes der St. Augustinus-Kliniken. Im Frühjahr 2016 kam der Lohn für die Mühe: Die Krankenkassen finanzieren derzeit wieder die zusätzlichen Behandlungskosten für alle Patienten.
„Wir sind dankbar, unsere Patienten auch weiterhin begleiten zu dürfen – und ihren verbleibenden Tagen mehr Leben zu geben“, fasst Stationsleiterin Ricarda Leuchten zusammen. Wenn dann, wie jüngst geschehen, ein Brief von Angehörigen das Palliativ-Team erreicht, sehen sie ihre Aufgabe bestätigt. „Von ganzem Herzen möchten wir uns für die liebevolle Begleitung in den letzten Tagen meines Mannes und unseres Vaters bedanken“, schreibt die Familie. „Sie waren ein wahrer Segen für uns und haben es uns möglich gemacht, dass wir noch kostbare Augenblicke mit ihm verbringen durften. Herzlichen Dank!“