NACHGEFRAGT: Was bedeutet "Prävention" in der kirchlichen Jugendarbeit?

02.08.2013

Zwei Jahre ist es her, dass das Erzbistum Köln in Reaktion auf die Fälle von sexuellem Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen Vorschriften zur Prävention erlassen hat. katholisch-im-rhein-kreis-neuss.de wollte wissen, wie sich diese Regeln in der Praxis bewähren. Volker Andres, geistlicher Leiter der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) in der Region Neuss stand dazu Rede und Antwort.
 
Was bedeutet überhaupt der Begriff „Prävention“ in der katholischen Kinder- und Jugendarbeit?
 
In erster Linie fängt es mit der sogenannten Präventionsschulung an. Bei dieser Schulung bilden sich alle Leiter im Bereich (sexueller) Gewalt weiter u.a.  mit dem Blick, was für präventive Maßnahmen ergriffen werden können. Hier gibt es zwei Hauptbereiche.
Zum einen das Augenmerk auf sich selbst, d.h. den Jugendverband, die Pfarrjugend, Messdiener etc. Was für Angebote oder Spiele haben wir im Repertoire, die dazu beitragen können, dass Grenzen der TeilnehmerInnen überschritten werden? Hierzu gehört auch, die eigenen Strukturen zu überdenken und mit Blick auf Gewaltprävention zu verbessern. Auf den Nachschulungen regen wir innerhalb der jeweiligen Gruppierungen an, „Experten“ zu benennen, die u.a. dafür sorgen sollen, dass es keine Maßnahmen gibt, die Grenzverletzungen ermöglichen.
Der zweite Ansatz ist, die Kinder und Jugendlichen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu stärken, sodass sie selbst zu wehrhaften Personen werden. Hierzu gibt es sicherlich verschiedene Ansätze. Wir, innerhalb der KjG, fördern die Partizipation der Kinder und Jugendlichen an Entscheidungen, wie einzelne Programmpunkte oder Regeln. Spielerisch wollen wir unsere Teilnehmer stärken, indem wir  pädagogische Haltung, wie „Du hast ein Recht NEIN zu sagen“ oder „Keiner darf Dir Angst machen!“ vermitteln.
 
Wie sieht das dann im Alltag aus? In diesen Wochen sind beispielsweise wieder viele Kinder mit den Jugendverbänden in Sommerlagern unterwegs. Gibt es da konkrete Auswirkungen?
 
Zu sagen: „Alles bleibt beim Alten“  wäre nach den Missbrauchsskandalen der Vergangenheit, die auch innerhalb der Kirche aufgetreten sind, sicherlich fehl am Platz. Aber wir wollen auch nicht übersensibilisiert an unsere Arbeit gehen. Unser wichtigstes Anliegen ist, ein gutes und abwechslungsreiches Programm für die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen auf die Beine zu stellen und die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen zu schützen. Dies beinhaltet aber auch, Spiele, die 10 Jahre oder noch länger erfolgreich waren, aus dem Programm zu streichen, wenn wir denken, dass diese zu Grenzverletzungen oder Übergriffen beitragen könnten. Wir wollen alles noch einmal  kritisch hinterfragen. Manche Spiele werden wir deshalb in Zukunft nicht mehr durchführen oder nur in geänderten Regeln.
Bei allem versuchen wir aber, die Auswirkungen für unsere TeilnehmerInnen gering zu halten, dass diese ein, zwei oder drei schöne Wochen im Sommer verbringen.
 
Die Vorschriften zur Prävention sind jetzt zwei Jahre in Kraft. Können Sie schon eine erste Bilanz ziehen? Was sagen die Betroffenen an der Basis der Jugendarbeit?
 
Der Großteil der Nachschulungen fand erst im vergangen Jahr statt, sodass die großen Aktionen und Fahrten noch anstehen. Wir hoffen, dass sich für unsere Teilnehmenden keine wirklichen Veränderungen ergeben, sondern dass sie genauso wie in den vergangenen Jahren eine schöne Zeit auf ihrer Freizeit erleben.
In den letzten Jahren nahm die kritische Anfrage von Eltern zu, die jedoch meistens ausgeräumt werden konnten, sodass ich froh bin, dass den ehrenamtlichen Leitern weiterhin das Vertrauen ausgesprochen wird. Wenn ich mir die Teilnehmerzahl ansehe, ist dieses Vertrauen ungebrochen. 6.000 Kindern und Jugendlichen allein bei den katholischen Jugendverbänden des BDKJ im Erzbistum Köln sprechen für sich.
Die größten Auswirkungen nach Inkrafttreten der Präventionsordnung 2011 betreffen sicherlich die LeiterInnen, was alleine bei der verpflichtenden Nachschulung beginnt und dem anschließenden Hinterfragen der eigenen Strukturen. Viele LeiterInnen waren sich des Ausmaßes und der Problematik nicht so bewusst, sodass sie nach der Fortbildung noch einmal mehr auf den Schutz der Kinder und Jugendlichen achten werden. Hierbei hatte ich zu Beginn die Sorge, das viele LeiterInnen übersensibilisert werden und sich nicht mehr trauen, eine Vielzahl von Spielen anzubieten oder sich anständig um die Teilnehmenden zu kümmern, sodass darunter die Qualität leidet. Diese Sorge hat sich aber gelegt.
Ich bin guter Dinge, dass die nötigen Maßnahmen zum Schutz aller TeilnehmerInnen ergriffen werden, das entworfene Programm aber keinesfalls darunter leidet, sondern die Qualität der Ferienfreizeiten, gerade durch die Sensibilisierung aller LeiterInnen,  noch zu nimmt.
 
Mehr Informationen zum Thema Prävention im Erzbistum Köln:
>>> http://www.erzbistum-koeln.de/thema/praevention/